Sieben Schüler/innen aus Stufe 9 und drei Begleiter/innen besuchten die Partnerschule in Moskau
Foto: Alina Tschernij, 9f

 

Sieben Jungen und Mädchen aus der Jahrgangsstufe 9 brachen mit ihren Lehrern Bianca Rivinius und Axel Frieling sowie der Schulsozialarbeiterin Ludmilla Günther am 29.04.2014 zu einem neuntägigen Besuch nach Moskau auf. Dort wurden sie von SchülerInnen und Lehrer Michael Nevezhin von der Partnerschule 863 in Empfang genommen. Gleich von Anfang an mahnte Michael zur Eile, denn: Moskau ist riesig und es gibt jede Menge zu entdecken. Außerdem sind die häufig 8- oder 10- spurigen Straßen oft verstopft, sodass zur Trödelei keine Zeit blieb  - unsere erste Lektion!
Ganz links Michael Nevezhin, daneben Bianca Rivinius. Ludmilla Günther steht rechts. Gemeinsam rahmen sie die Gruppe der russischen und deutschen Schüler/innen ein
 
Vom Flughafen ging es zunächst einmal im Charterbus zur Schule, die in einer Entfernung von etwa 18 km zum Zentrum für Moskauer Verhältnisse noch durchaus zentral liegt, zumal es ein erstklassiges U-Bahn-System gibt. Wir haben bei insgesamt etwa 30 Fahrten nicht ein einziges Mal länger als 60 Sekunden auf eine Bahn gewartet- oftmals viel zu kurz, um sich die prachtvollen Stationen-Paläste genauer anzusehen.  
Von der Schule führte ein zumeist kurzer Fußweg weiter zu den Gastfamilien, die den Jugendlichen einen umwerfend herzlichen Empfang bereiteten. Am selben Abend bereits waren Dutzende Bekanntschaften geschlossen, Freundschaften angebahnt, und: Die Stimmung fantastisch.
 
Lehrer/innen-Raumprinzip: Die Schüler/innen wandern, die Lehrer/innen bleiben stets im selben Raum. Überall aber Portraits des who is who der russischen Literatur an den Wänden. Über allen thront Alexander Puschkin, dem in beinahe jedem Raum ein Ehrenplatz über der Tafel eingeräumt wird 
 
Am nächsten Morgen dann: Schule mal ganz anders, nämlich auf russisch. Englisch in Klasse 7, Biologie in 9, Russisch in 11- für jeden war zum Zuschauen etwas dabei. Die Lerngruppen sind weitaus kleiner als bei uns, der Unterricht stark lehrerzentriert- durchaus autoritär geführt.  
In Russisch stand die Charakterisierung von Frauenfiguren aus Tolstois Mammutwerk Krieg und Frieden an; große Erheiterung, als am Ende der Stunde unsere Schüler/innen wichtige Unterrichtsergebnisse auf Englisch zusammenfassen konnten, obgleich sie natürlicherweise vorab eigentlich nicht viel verstanden hatten. Was allein aufmerksames Mitverfolgen eines medial anspruchsvollen Unterrichts doch so alles bewirken kann... Drei unserer Schüler/innen bekamen jedenfalls eine glatte "5"; die beste Note, die es in Russland gibt.
Im schuleigenen Museum zum großen vaterländischen Krieg. Die Weltkriegsgeschichte ist in Moskau allgegenwärtig- auch in unserer Partnerschule
 

Das Austauschprogramm mit der Schule 863 existiert nun seit 12 Jahren; von Anfang an war es der vielgestaltigen Beziehung der beiden Völker gewidmet. Hierzu gehört insbesondere die Weltkriegszeit, die Zeit des "großen vaterländischen Krieges", wie man in Russland sagt. Er nimmt auch heute noch einen großen Raum im Bewusstsein der Menschen ein, was sich an schulischen Lehrplänen zeigt, an unzähligen historischen Stätten, an Museen, Denkmälern, Plakaten, Zeitungsberichten uvm. Geschichte, insbesondere die jüngere, wird sehr aktiv wachgehalten- der Staatspräsident erweist Weltkriegsveteranen zu Gedenktagen persönlich die Ehre (wir bekamen ihn allerdings nicht zu Gesicht).  

Dennoch wunderte uns, mit welcher Liebe zum Detail unsere Partnerschule ein eigenes, weit beachtetes Museum zum Thema unterhält. Schülerinnen aus Jahrgang 9 führten uns durch eine beeindruckende Ausstellung, die allerlei Materialien und Objekte zeigte. Sogar Originalwaffen gab es zu bestaunen sowie erbeutete SS- Standarten aber auch die Nachbildung russischer Partisanenunterstände sowie erläuternde Karten und Dokumente sowie diverse Gegenstände aus soldatischem Privatbesitz wie Briefe, Essgeschirr oder Kleidung. Erschütternde Fotos zeigten das Leid der Menschen im eingeschlossenen Leningrad, die wegen der Feindesblockade elendig verhungern mussten.  

Im Laufe unseres Aufenthaltes in Moskau sind wir vielfach mit diesem Thema in Berührung gekommen, ab und zu gesteuert, manchmal aber auch zufällig; am sympathischsten sicherlich am letzten Tag, als wir Gäste von Kriegsveteranen waren, die mit uns aßen, was es für sie an der Front gab: Gurken, Buchweizenbrei, gekochtes Rindfleisch, Speckbrote. Mit dem dazu gereichten Wodka (in durchaus größeren Mengen) war das absolut genießbar! Die Schüler/innen mussten sich selbstredend mit Wasser begnügen, dafür aber etwas später auch noch Polka und Walzer tanzen- oder eine Mischung aus beidem. 
Da kam Freude auf: Diana beim Tanz mit einem Kriegsveteranen
 
Der Eindruck trügt nicht: Deutsche sind in Moskau sehr gerne gesehene Gäste. Der Physiker Prof. Naumov, unserer Schule seit langem verbunden und als ehemaliger NS- Zwangsarbeiter einer der Begründer des Austauschprogamms, begründete das bei unserem Treffen am Thron der Zarin Katharina kurz und bündig: "Ihr Deutschen, ihr seid doch heute ganz anders. Mit der Vergangenheit habt ihr nichts mehr zu tun. Wir müssen aber trotzdem gemeinsam dafür sorgen, dass das auch so bleibt." 
Professor Naumov von der Universität Moskau im Gespräch mit der Gruppe
 

Der alte Kern der Stadt und sicherlich ihr berühmtestes Areal ist der Kreml und selbstredend versucht jeder Tourist, ihn zu besuchen. Wir haben das auch getan, was aber im Umfeld der diversen Maifeierlichkeiten gar nicht mal so einfach war, denn alle Naselang wird die Innenstadt für Paraden, Feste und die 9. Mai- Vorbereitungen gesperrt, wenn es den größten nationalen Feiertag zu feiern gilt: Den Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland (für Russland war der Krieg am 9. Mai beendet, nicht am 8. Mai). Dann heißt es: "Versuchen Sie es in 3 Stunden noch einmal oder noch besser morgen!"

Nun, wir haben es nach zwei Anläufen geschafft und einige waren sogar in der Schatzkammer, um die berühmten Fabergé- Eier zu sehen. Im Kreml selbst sind es v.a. diverse Kirchen, die einen Besuch lohnen und die, hierin liegt neben ihrer strahlenden Schönheit ihre einmalige Bedeutung, zumeist mehr oder weniger mit dem Wirken der 57 Zaren verknüpft sind, die aus Moskau eine überregional bedeutende Stadt und aus Russland eine Weltmacht geschmiedet haben. Besonders markant ist sicherlich die sogenannte Erzengelkathedrale, in der die Zaren oberirdisch bestattet sind. Der erste Zar Russlands, Iwan IV (er trug den gruseligen Beinamen der Schreckliche offensichtlich völlig zu Recht) verfügte dies in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und gleichzeitig auch, dass die besonders ehrenvollen Zaren, die für das ewige Himmelsreich bestimmt erschienen, in der rechten Hälfte der Kirche aufgebahrt werden sollen (er selbst liegt auch heute noch ganz rechts außen, natürlich). 

Eine der zahlreichen Kirchen im Kreml. Typisch sind die Türmchen-Architektur sowie die mit Blattgold überzogenen Zwiebeldächer. In russisch-orthodoxen Kirchen gibt es keine Sitzbänke (man steht) und häufig keinen zentralen Altarraum. Ikonen bedecken quasi jeden Quadratzentimeter der Wände bis hinauf zu den gewölbten Decken.
 

Sicherlich: Nach der siebten oder achten Kirchenbesichtigung, dem 100. historisch-kulturell relevanten Detail, dem 10. Fußkilometer auf Napoleons Spuren und einem halben Tag im historischen Museum oder im Zarenpark Kolomenskoe hatten nicht alle Teilnehmer/innen mehr große Lust auf einen Abstecher ins Puschkin-Museum oder in die Tretjakov-Galerie (einige aber doch!). Dies war allerdings kein großes Problem: Mit der spektakulären GUM-Passage, dem Planetarium, dem Zoo, dem zweithöchsten Fernsehturm der Welt oder dem berühmten Gorki-Park gab es schließlich genügend Alternativen und die nutzten die Schüler/innen, zumeist gemeinsam mit ihren Gastfamilien.

Action gab es also jederzeit und die einschlägigen Schnellrestaurants und Boutiquen werden sich über ein sattes Umsatzplus made in Dormagen gefreut haben...

Tränen dann am 07.05. beim Abschied am Flughafen doch auch Vorfreude über den nächsten Teil unseres Austauschprogramms, wenn es wieder heißt: "Die Russen kommen." Wir hoffen, noch dieses Jahr!     

Ein Blick in das berühmte GUM: Moskau gilt als eine der teuersten Städte auf der Welt; insbesondere die Mieten sind sehr hoch. Vielleicht erklärt dies, dass es in der exquisiten GUM-Passage, unmittelbar am Roten Platz gelegen, einigermaßen leer war. Artikel und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs wie (heimische) Lebensmittel, Schulmaterialien oder U-Bahn-Fahrten hingegen sind für deutsche Verhältnisse spottbillig.