Drei Tage nach dem 70. Jahrestag des Überfalls auf Polen ließen deutsche Militärs wieder „zurückschießen“: diesmal schneller und „robuster“ durch einen bestellten Luftangriff bei Kundus. Vor diesem Hintergrund wurde am  vergangenen Samstag auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock der Opfer des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung vom Faschismus gedacht – und Frieden eingefordert.

Prof. Dr. Arno Klönne konnte aus eigenem Erleben und aus dem reichen Spektrum seiner wissenschaftlichen Lebensleistung die Entwicklung Deutschlands vom letzten Weltkrieg hin zu neuen „Stabilisierungseinsätzen“ und „Kampfhandlungen“ skizzieren. Darin nimmt auch die Senne  – immer noch – ihren Platz ein. Diese weitläufige Landschaft in Ostwestfalen, in der Stukenbrock liegt, hat eine lange militärische Tradition. Hier wird seit mehr 1888 für den Krieg geübt. Aktuell in der Diskussion sind „Attrappen“, mit denen der Häuserkampf äuserkampf gegen „Aufständische“ geübt werden kann.

Schon im Ersten Weltkrieg gab es hier Gefangenenlager. Erinnert wurde an die kurze friedliche „Zwischennutzung“ des Lagers Staumühle durch den Pädagogen Richard Schirrmann, den „Erfinder“ der Jugendherbergen, der hier ein Kinderdorf betreute. Klönne und auch Werner Höner, der engagierte Sprecher der Initiative „Blumen für Stukenbrock“ erinnerten daran, dass die Geschichte des Stammlagers VI K (326) immer noch verdrängt und instrumentalisiert wird:  Die rote Fahne auf dem Obelisken, die die sowjetischen Gefangenen gleich nach ihrer Befreiung dort angebracht hatten, wurde entfernt und fehlt immer noch. Der Wunsch der Überlebenden, sie wieder anzubringen, wird unterlaufen.

Dimitri Orlow (101) und Prof. Dr. Wladimir I. Naumov aus Moskau, die beide an der Einweihung des Obelisken am 2. April 1945 beteiligt waren, riefen insbesondere die jüngeren Teilnehmer auf: „Seid wachsam! Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ Verlesen wurde ihr Grußwort von Walborg Schröder, der Vorsitzenden der „Deutsch-Russischen Gesellschaft Rhein-Ruhr“.

NRW-Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers ließ sich entschuldigen und einen Kranz am Obelisken ablegen. Vertreten waren die Konsulate der Russischen Föderation, Kasachstan Frankreich und Italien, MdB Inge Höger, Anneliese Buntenbach (DGB-Vorstand) sowie Vertreter der Gemeinde und des Kreises Gütersloh.

Die Umsetzung dieser Forderungen wird nicht nur von der Initiative „Blumen für Stukenbrock“ angestrebt. Sprecher der VVN/BdA und von Pax Christi unterstützten in ihren Grußworten dieses Anliegen. Die Bedeutung des Sowjetischen Friedhofes und seiner Geschichte für die jüngere Generation betonte Chris Kuhlpeter vom Vorstand der LandesschülerInnenvertretung NRW.

Einen praktischen Beitrag, um die Geschichte dem Vergessen zu entreißen, leistete wieder eine Delegation der Schülervertretung der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule Dormagen. Sie rekonstruierte den Hauptweg des benachbarten „Italiener-Friedhofes“ und legten dort als „Wegmarken“ Steine vom Rhein ab, die sie vorher mit Motiven aus der Verfolgung der NS-Opfer gestaltet hatten. Dr. Gabriele Galipò vom italienischen Konsulat Dortmund dankte ihnen für dieses Engagement.

Im benachbarten Workcamp leisteten junge Antifaschisten Informationsarbeit über die aktuellen Ausprägungen des Neofaschismus. Vor dem Hintergrund des zeitgleichen Auflaufs von Neonazis in Dortmund, der höchstrichterlich erlaubt worden war, bekam dieser Diskurs einen ganz besonderen Stellenwert. Als Zeitzeugin und Historikerin gab Dr. Giesela Schwarze den Opfern der NS-Zeit eine Stimme: Sie hat sich insbesondere für die aus der Sowjetunion nach Deutschland verschleppte Zivilbevölkerung eingesetzt, die hier als Arbeitssklaven ausgepresst wurde.