![]() |
Frau zu sein bedeutete in den Augen der Gegner Bertha von Suttners so etwas wie ein doppelter Beweis für die, wie sie es sahen, naiven und tagträumerischen Phantastereien der ersten Friedensnobelpreisträgerin. Lesen Sie hier eine Textcollage zum Thema "FRAU" - u.a. mit Originalzitaten aus ihren Büchern. Formuliert, szenisch aufbereitet und vorgetragen von Schülerinnen und Schülern des Literaturkurses (Jg.12) auf dem ersten Bertha-von-Suttner-Abend am 30. Oktober 1997 - immer noch aufschlussreich! |
am 30. Oktober 1997
Programmpunkt
Textlesung :
‚Die Frau‘
Textauswahl: Stefan-G. Schnorr
(Sprecher 1)
Wann wird „man“ zur Rebellin? Als Frau!
(Sprecher 2)
Gebärmutter und Eierstöcke dulden weder tiefe Wissenschaft noch Weltweisheit. Erziehung zur Philosophie, soweit von solcher überhaupt die Rede sein kann, erwirkt bei Frauen nur Entartung, weil sie dem weiblichen Gehirn gegenüber naturwidrig ist. ... Alle Gelehrsamkeit ist beim Weibe nur Schein. ... Die Denkkraft, besonders das Vermögen des intensiven Nachdenkens, findet man bei dem Weibe in geringerem Grade entwickelt als bei den Männern. (aus: Eduard Reich, „Studien über die Frauen“)
(Sprecherin 1, energisch)
Dann wird “frau “ zur Rebellin! Als Frau!
Ich bin nicht revolutionär. Ich sage nur, was schlecht ist in unserer Gegenwart und was gut werden könnte in der Zukunft. (Bertha von Suttner)
(Sprecher 1)
Wann wird „frau“ zur Rebellin? Wenn „frau“ in der Öffentlichkeit raucht? Wenn „frau“ ohne Kinder, Küche und Kirche zu leben versteht?
(Sprecherin 2):
Kinderlosigkeit war für eine Frau in besseren Kreisen eine Katastrophe. Sie hatte ja keine andere Aufgabe, als dem Mann ‚Kinder zu schenken‘. ... Die wahre Tragödie begann für eine Frau, wenn es mit der ‚guten Partie‘ nicht klappte. Schon Mitte 20 galt sie als ‚alte Jungfer‘. Da sie keine Berufsausbildung hatte, konnte sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten. Sie war also von ihren Eltern und nach deren Tod von den Geschwistern abhängig.“ (Brigitte Hamann, Biographin)
Suttner verletzte ein Tabu, indem sie stets stolz erklärte, eine Frau könne auch ohne Kinder ein erfülltes Leben führen.
(Sprecher 1)
Wird „frau“ zur Rebellin, wenn „frau“ gegen die Konventionen der Weiblichkeit des 19. Jahrhunderts verstößt? Und gegen manch andere allgemeine Konvention noch dazu?
(Sprecherin 2)
„Wie gerne hätte ich oft nach einem Diner mich in die Ecke begeben, wo ein paar unserer viel gereisten Diplomaten, beredten Reichsräte oder sonstige bedeutende Männer über bedeutende Fragen ihre Meinung austauschten - aber das war nicht tunlich; ich mußte schon bei den anderen Frauen bleiben und die Toiletten besprechen, die wir für den nächsten großen Ball vorbereiteten. Und hätte ich mich auch in jene Gruppe eingedrängt, sogleich würden die eben geführten Gespräche über Nationalökonomie, über Byrons Poesie, über Theorien von Strauß und Renan verstummt sein und es würde geheißen haben: ‚Ach, Gräfin Dotzky! ... Gestern auf dem Damen-Picknick haben sie bezaubernd ausgesehen ... und sie gehen doch morgen zum Empfang bei der russischen Botschaft?“ (Bertha von Suttner)
(Sprecher 1)
Rebelliert „frau“, wenn „frau“ von Geldsorgen geplagt, für den eigenen Unterhalt schreibt, mäßige Gebrauchskunst produziert, aber der Beruf der Journalistin ihr von der Gesellschaft verwehrt wird?
(Sprecherin 1)
„Wenn ich denke, was ich an Romanen, die ich schreiben könnte, der Friedensbewegung opfere, so kann ich das pekuniär auf jährlich ziemlich viele Tausende beziffern - und an literarischem Wachstum nebenbei. So gehe ich im literarischen Ruf zurück. Aber für die Sache ist kein Opfer zu groß.“ (Bertha von Suttner)
(Sprecher 1)
Heißt es Rebellion, wenn „frau“ nicht einfältig an die Solidarität und Forschrittlichkeit des eigenen Geschlechts glaubt?
(Sprecherin 3)
Unter den Frauen ... fand man die eifrigsten Hüterinnen der Frauenhörigkeit, die beredtsten Gegnerinnen der Emanzipation - gerade so, wie Neger einst die besten Sklavenhüter waren. (Bertha von Suttner)
Wenn man bedenkt, daß der Gang der Zivilisation und damit die Entfaltung menschlicher Gesittung und Wohlfahrt von dem Maße der zurückgelegten intellektuellen Fortschritte abhängt, und wenn man daneben berechnet, wieviel Nachdenken, wieviel geistige Anstrengung, wieviel Talent von Seiten der halben Menschheit an die Bekleidungsfrage gewendet wurde, so läßt sich ermessen, um wieviel das Glück unseres Geschlechtes (insgesamt) durch das Schönseinwollen des sogenannten schönen Geschlechts verzögert worden ist. (Bertha von Suttner)
(Sprecher 1)
Wird „frau“ zur Rebellin, wenn „frau“ das Männerbild ändert?
(Sprecherin 2)
„Nicht mehr der schneidige Mann, dem man seine Laster, Trunkenheit, Rauflust hoch anrechnet, wird der begehrte sein, sondern der Mann, der mit Mut und Geist Milde und Friedfertigkeit vereinigt.“ (Bertha von Suttner)
(Sprecher 1)
Was ist rebellisch, wenn „frau “die Beziehung mit dem eigenen Mann zum Gegenstand eines Romans macht, so geschehen in „Es Löwos“.
(Sprecherin 3)
Aus dem Roman „Es Löwos“, geschrieben von Bertha von Suttner erfahren wir den Verlauf einer „toleranten Partnerschaft“, in welcher die Gleichberechtigung von Mann und Frau eine wichtige Rolle spielt. Der Roman trägt unverkennbar autobiographische Züge. Die Verfasserin charakterisiert ihre Beziehung zu ihrem Mann als „zuversichtlich“ und „wunderschön“. Diese Empfindungen gehen aus vielen Textpassagen hervor.
Untereinander siezen sie sich! Das zeigt den Respekt voreinander.
Deutet es auch noch auf mehr hin?
Im Roman werden nur die Kosenamen des Paares erwähnt. Die Frau wird „Meune“ genannt, der Mann „Meuns“.
Beide sprechen untereinander ihre eigene Sprache. Aus „Mein“ wird „Meun“. Beliebt ist außerdem, bei Substantiven immer ein „os“ dazuzusetzen. Aus „Schatz“ wird so „Schatzos“, aus „Löwe“ wird „Löwos“. Solch ein Verhalten ist mehr als ungewöhnlich. Zeigt es den Wunsch zur Flucht, wenn man seine eigene Sprache entwickelt? Den Wunsch nach Distanz zu einer kalten, gefühllosen und egoistischen Welt? Deutet sich hier die private Sehnsucht nach einer selber geschaffenen Gegenwelt an? Erleben wir hier die ‚andere‘ Seite der „öffentlichen Person“ Bertha von Suttner?
(Pause)
„Es Löwos“ zeigt die Frau selbstbewußt und sehr intelligent. Mit Fingerspitzengefühl und gewitztem Charme schafft sie es, eine Partnerschaft zu erhalten, in der der Mann nicht das Gefühl empfindet von seiner Frau erdrückt zu werden. Aber: Sieht so das Verhalten einer Rebellin aus? (Text: Helene Dier, Schülerin der Jahrgangsstufe 12)
(Sprecherin 1)
Um das zu sagen, was er erschaut hat, darf der Realist vor keiner scheinbaren Inkonsequenz, vor keiner scheinbaren Unverschämtheit zurückschrecken. Sobald ihm etwas wahr erscheint, muß er es sagen, ob es nun gegen die Regeln des Anstands verstoße oder nicht.
Gegen Unrecht - wenn man es als solches erkennt - muß man sich wehren: da gibt‘s nichts anderes. Schweigen ist da, obwohl es Verachtung auszudrücken vorgibt, selbst verächtlich. Nicht nur die Betroffenen müssen reagieren; auch den Unbeteiligten, wo immer sie ein Unrecht sehen, kommt es zu, sich dagegen aufzulehnen. Ihr Schweigen ist Mitschuld und beruht zumeist auf denselben Motiven, wie das Schweigen der Betroffenen, nämlich auf Ängstlichkeit. Nur nicht anstoßen ... nur nicht sich Unannehmlichkeiten zuziehen: das ist das Grundmotiv, wenn es sich auch äußerlich als vornehme Zurückhaltung gebärdet. (Bertha von Suttner)
(Bei dem Foto handelt es sich um einen Auschnitt aus dem Titelbild des Buches: Christian Götz, Die Rebellin Bertha von Suttner. Botschaften für unsere Zeit, Elsdorf (Klein und Blechinger) 1996 - Christian Götz war an jenem Abend in der Gesamtschule persönlich anwesend und stand mit seinem Wissen kompetent Rede und Antwort.)